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Requiem – Was ist das überhaupt?

Requiem (von lat. requies = Ruhe) (auch: Totenamt, Totenmesse, Seelenamt, Seelenmesse): Requiem nennt man die katholische Messe für Verstorbene, die nach dem Anfang des Introitus „Requiem aeternam dona eis, Domine, et lux perpetua luceat eis“ (lat.: Die ewige Ruhe gib ihnen, Herr, und das ewige Licht leuchte ihnen) (4Esra 2,34f) benannt ist. Das Requiem ist Bestandteil der Exequien und wurde früher vermutlich als Begräbnis- oder Gedächtnisgottesdienst nach der Beisetzung verwendet.

Das Requiem unterscheidet sich nicht grundsätzlich von anderen Messen, außer durch die Einfügung eines Gedenkens an und einer Fürbitte für den Toten. Da es eine Votivmesse für einen Wochentag ist, wurden Gloria und Credo ausgelassen. Die von Thomas von Celano eingeführte 17-strophige Sequenz Dies irae, dies illa (lat.: Ein Tag des Zorns [wird] jener Tag [sein]) erscheint erstmalig gegen Ende des 12. Jhdt. als Sequenz für den ersten Sonntag im Advent. Sie wurde im 14. Jhdt. zur offiziellen Sequenz im Requiem, obwohl sie bereits früher dort gebräuchlich war. In dieser Sequenz scheint eine diffuse Schuld schlechthin existenzbestimmend zu sein, so dass der Sünder nicht auf ein gerechtes Urteil, sondern nur auf Gnade hoffen kann – ja der Mensch scheint wesentlich Sünder vor Gott zu sein. Hier äußert sich der Strang einer Theologie, der das diesseitige Leben zunehmend verfinstert und der die Rechtfertigung des Sünders als unbegründeten Gnadenakt Gottes gesetzt hat.

Diese von vielen Menschen so empfundene Verfinsterung der christlichen Hoffnung auf Heil hat sich ausgewirkt auf Volksfrömmigkeit und Gottesvorstellung. Das Gefühl ständiger Verstrickung in Schuld und der Eindruck, ohnmächtig einem strafenden Gott ausgeliefert zu sein, haben verbreitet das Lebensgefühl christlicher Gruppen bestimmt. Das „Halleluja“ wurde aus dem Requiem ausgegliedert, wodurch dessen Trauer-Charakter noch zusätzlich betont wurde. Seit dem frühen Mittelalter verzichtete man auf Texte und Riten freudigen Charakters. Und so hatte die Liturgie des Requiems lange Zeit stärker Sünde und Tod und das Schicksal der Seele im Fegefeuer zum Inhalt als die Verheißung der Auferstehung des Leibes und die Hoffnung auf ewiges Leben. Dennoch ist darauf nie ganz verzichtet worden, so in den Chorgesängen „Pie Jesu“ (lat.: Milder Jesus) und „Lux aeterna“ (lat.: Das ewige Licht [leuchte ihnen]). Die Chöre „In paradisum“ (lat.: Im Paradies) und „Chorus angelorum“ (lat.: Chor der Engel) drücken die Hoffnung aus, dass der Mensch bei Gott „ankommen“, dass Leben in einem ganzheitlichen Sinn gelingen möge. Die Liturgiereform im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils verstärkte ein von Ostern her bestimmtes christliches Verständnis des Todes. Im Requiem wird wieder das „Halleluja“ gesungen, die Sequenz „Dies irae“ wurde gestrichen. Lesungen und Gebete drücken die Hoffnung aus, an der Auferweckung Jesu Christi teilzuhaben.

Die Gesänge des R. haben eine Reihe von Komponisten zu bedeutsamen Werken inspiriert. Aus der Zeit der klassischen Polyphonie liegen Vertonungen von Giovanni Pierluigi da Palestrina (5stimmig), Oratio Vecchi (chorale Intonation der einzelnen Gesänge), Tomás Luis de Victoria und anderen vor. Weitere bemerkenswerte musikalische Vertonungen sind die von Wolfgang Amadeus Mozart, Luigi Cherubini, Gabriel Urbain Fauré, Anton Bruckner oder Antonin Dvorak. Einige Werke, wie die von Hector Berlioz und Guiseppe Verdi, eignen sich eher für Konzertsäle. Nicht jedes musikalische Requiem folgt dem lat. Text. Das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms sollte nicht göttliche Gnade für die Toten erflehen oder gar die Schrecken des Jüngsten Gerichts heraufbeschwören (wie in der Sequenz „Dies irae“ des katholischen Requiem), sondern den Hinterbliebenen Trost und Hoffnung spenden. Brahms selbst wählte mit großer Sorgfalt „seinen“ Text aus AT und NT. Das Requiem von Frederick Delius beruht auf Texten von F. Nietzsche mit heidnischem Charakter, Paul Hindemith legte ein Gedicht von Walt Whitman zugrunde, und Benjamin Brittens „War-Requiem“ durchsetzte die lat. Texte der Sequenz mit Gedichten von Wilfried Owen.
Neueren Datums sind Vertonungen z.B. von Thomas Hettwer und Karl Jenkins.

Rainer Kunze